Wir machen uns auf den Weg 2.0
Die Aufgaben des OA sind gemäß der Gremienübersicht des Bistums Limburg:
„Interesse am Kirchort zu haben und sich die vielfältigen Themen der Menschen, die dort wohnen, unabhängig von Konfessions- und Religionszugehörigkeit zu eigen zu machen.
Im fußläufigen Sozialraum Kontakte zu knüpfen und Vernetzung mit den Menschen vor Ort, den Vereinen, Verbänden und Gruppen herzustellen.
Die Schaffung von Begegnungsräumen vor Ort.
Die Menschen vor Ort zu ermutigen und zu begleiten und ihre Ideen und Potentiale zu entfalten.“
(Quelle: sinngemäß aus der Gremienübersicht)
Diesen gestalterischen Auftrag nimmt der OA Erbach bereits seit Jahren bei einem gemeinsamen Wochenende in Vallendar bei den Pallottinern zu Jahresbeginn an.
Themen sind die Gestaltung des Jahreskreises durch Wortgottesdienste, spezifische Feste des Kirchortes und Initiativen, die das kirchliche Leben in St. Markus bereichern sollen.
Vor diesen Planungen steht aber immer auch ein geistlicher Impuls, in diesem Jahr z.B. durch ein Bibliodrama, und als abschließender Höhepunkt der Besuch der Heiligen Messe am Sonntag morgen in der Pallottikirche neben dem Haus Wasserburg. Meist finden sich so in den Impulsen und Predigten auch inhaltliche Anknüpfungspunkte an unserer Diskussionen.
Aus dieser Erfahrung heraus entstand auch der Wunsch, im Sommer einen Tagesausflug gemeinsam zu gestalten mit einem Besuch der Heiligen Messe in Vallendar. In diesem Jahr fand dieser Sommerausflug (OA & friends) bereits zum dritten Mal statt.
Nach zwei wechselhaften Ausflügen mit der Bahn kam zum diesjährigen Ausflug eine etwas ambitionierte Idee auf: Nach Vallendar sind es etwa 90 Kilometer am Rhein entlang, die man CO2-neutral mit dem Fahrrad in Angriff nehmen könnte?!
Vielen von uns erschien das zunächst viel, aber wir wollten früh am Morgen losfahren, langsam fahren und zwei größere Pausen nach je 30 Kilometern einlegen. So trafen sich am Samstag, dem 6. Juli, um 8 Uhr sieben mutige Mitfahrende am PZ in Erbach.
Eine Woche später sollte hier unsere Wortgottesfeier im Pfarrgarten zur Entsendung des Zeltlagers stattfinden, so dass sich hier die Möglichkeit ergab Motto und Lieder schon einmal in der Praxis zu erproben: „Wir machen uns auf den Weg“.
„Mach unseren Herzen Beine, Gott … !“
Noch haben wir einigen Respekt vor der Aufgabe, aber nach einigen Kilometern haben wir uns als Gruppe und den angemessenen Tritt für unsere Beine gefunden. Selbst die Gefahrenstelle zwischen dem Bahnübergang und dem Beginn des Radweges in Rüdesheim bewältigen wir souverän. Den neuen, teuren Radweg nach Lorch befahren einige von uns zum ersten Mal. Genau gemäß der Marschtabelle unseres Reiseleiters Theo erreichen wir nach 2 Stunden und 30 Kilometern Lorch und stärken uns dort mit Kaffee und Croissants für die noch 60 ausstehenden Kilometer.
„Zieh Du mit uns an einem Strang… !“
Rechtzeitig starten wir erneut, jetzt geht es in einem Rutsch bis nach Kaub, wo wir mit der Autofähre an der Pfalzgrafenburg vorbei auf die linke Seite des Rheins wechseln. Schnell erreichen wir Oberwesel, fahren aber ohne Halt bis an die Loreley. Die Hälfte der Strecke ist geschafft, und wir kommen sogar besser voran als gedacht. Ein leichter Rückenwind gibt uns Unterstützung, sodass wir die Zeit für einen Fotostopp an dieser markanten Stelle des Rheins gewinnen. Elke kann auf die elektrische Unterstützung ihres E-Bikes komplett verzichten und sogar ihre Batterie während der Fahrt aufladen. Hoffentlich gilt das für uns alle auch im übertragenen Sinne!
„Der Ortsausschuss (OA) ist ein Ausschuss des Pfarrgemeinderats, der in dessen Auftrag das kirchliche Leben im einzelnen Kirchort gestaltet.“
Unsere nächste größere Pause legen wir in Boppard mit noch 30 ausstehenden Kilometern ein. Eigenverpflegung, alkoholfreies Bier und Eis gönnen wir uns, bevor wir Richtung Koblenz aufbrechen. In Oberwerth müssen wir ein wenig suchen, um den Übergang über die Rheinlache zu finden, gelangen dann zur Pfaffendorfer Brücke in Koblenz, wo wir den Rhein auf die rechte Seite zurück queren. Am Fuß der Festung Ehrenbreitstein vorbei geht es am Uferweg des Rheins nach Vallendar. Fast auf die Minute genau wie geplant treffen wir dort nach insgesamt 90 geradelten Kilometern um 16 Uhr ein.
„Bleib Du uns auf den Fersen, Gott … !“
Michaela, Ursula und Heinrich sind unabhängig mit dem Auto angereist und haben unsere Zimmerbelegung im Pallottinerkloster eingecheckt. Stolz und etwas aufgekratzt berichten wir ihnen nach dem Abendessen im Kloster über unseren Weg. Aber allzu spät wird es nicht nach des Tages Mühen. Auch unser Frühstück am Sonntag nehmen wir im Kloster ein und besuchen gemeinsam die Messe.
Pater Erik, den wir aus unseren Aufenthalten und von seinen Impulsen bereits kennen, zelebriert die Messe. Seine Predigt bezieht sich auf die erste Lesung des 14. Sonntag im Jahreskreis, aus dem Buch Ezéchiel (Ez 1, 28c – 2, 5):
In jenen Tagen, schaute ich das Aussehen der Gestalt der Herrlichkeit des Herrn. Und ich fiel nieder auf mein Angesicht. Da hörte ich die Stimme eines Redenden. Er sagte zu mir: Menschensohn, stell dich auf deine Füße; ich will mit dir reden. Da kam Geist in mich, als er zu mir redete, und er stellte mich auf meine Füße. Und ich hörte den, der mit mir redete.
Buch Ezéchiel 1, 28c – 2, 5
Pater Erik fasst es so zusammen: „Machen Sie sich vor Gott nicht kleiner als es Ihrer Größe entspricht!“ Nur so können wir das vernehmen, was Gott von uns erwartet und unseren Glauben mit Haltung bezeugen. Bei unserer Größe denken wir an die Zusage bei der Salbung in unserer Taufe: „ ... , damit ihr für immer Glieder Christi bleibt, der Priester, König und Prophet ist in Ewigkeit“ (GL 574.1).
Eine Überraschung hielt der Sonntag für die Reisegruppe aber noch bereit: Während der Lesung hatte sich noch ein weiteres Mitglied des Ortsausschusses in der Kirche eingefunden: In aller Frühe zum Sonnenaufgang um kurz nach 5 Uhr hatte sich David mit seinem Rad von Erbach aus zur Messe um 10 Uhr aufgemacht mit einer geplanten Reisezeit von 4½ Stunden – ungeplant war indes eine längere Pause bei Kamp-Bornhofen (nach 65km) dazugekommen, verursacht durch eine Drahtspitze (dieses Schicksal teilt er mit J. Degenkolb bei der Tour de France am gleichen Tag!).
Die durch diese drei Anreisewege je nach den eigenen Möglichkeiten entstandene Gruppe war sich einig: Welch ein Zeichen des Glaubens und der Gemeinschaft dieser Ausflug doch war – und er war ja noch nicht zu Ende!
Im Anschluss an die Sonntagsmesse in Erbach gibt es immer einen „Coffee to stay“ und getreu dieser Tradition fand sich die Gruppe daher alsbald in einem Eiscafe wieder. (Nicht nur) David hatte sich ja ein kleines Frühstück verdient.
„Bau Du uns goldne Brücken, Gott … !“
Eigentlich wollten wir am Sonntag nur mit dem Rad nach Koblenz fahren, um von dort mit der VIAS-Bahn zurück nach Erbach zu gelangen. Aber nach dem gestrigen Erfolg und Davids Bericht, dass man auch auf der „richtigen“ Seite des Rheins bleiben kann (wenn auch die Bezeichnung Radweg im mittleren Teil der Strecke dem 1m Breiten Fahrstreifen neben der B42 absolut nicht angemessen erscheint) werden wir mutig: „Wir könnten am Rhein ohne Wechsel der Uferseite zurückfahren, um auch diesen Weg kennenzulernen. An jedem Ort besteht doch die Möglichkeit, in die VIAS-Bahn einzusteigen!“
Mit diesem Backup im Rücken machen wir uns wieder auf den Weg. Wegen der gesperrten Lahnbrücke der B42 quält sich der gesamte Verkehr durch Niederlahnstein. Als Radfahrer braucht man Geduld und gute Nerven, um inmitten des motorisierten Sonntagsverkehr den Weg durch die enge Ortsdurchfahrt mitsamt Umleitungen zu finden. Doch schließlich erreichen wir die Zufahrt zur alten und einzigen Brücke über die Lahn.
Nach 20 km trennten sich in Braubach unsere Wege wieder: David steigt nach 110 gefahrenen Kilometer an diesem Tag in die VIAS-Bahn um. Er wird in Geisenheim wieder aussteigen, um von dort zum Kloster Marienthal zu fahren und als Ministrant dort um 16 Uhr am Gründungsgottesdienst der Region Wiesbaden-Rheingau-Taunus mit Bischof Georg Bätzing teilzunehmen. Am Ende des Tages zurück in Erbach wird er 128 geradelte Kilometer auf seinem Tacho haben!
Der Rest der Gruppe trennt sich nach weiteren 25 km in St. Goarshausen: Ein Teil fährt bis Lorch, um dort die VIAS-Bahn bis Erbach zu nehmen, während ein Teil der Gruppe nach einer weiteren Pause sogar noch bis ganz zurück bis Erbach radelt und so in zwei Tagen bis zu 180 km zurückgelegt haben.
Am Schluss stehen als begleitende Motive einer Wallfahrt: „Das gewohnte Leben zu unterbrechen und neue Orientierung zu finden, aber auch mit der Natur in Berührung zu kommen, neue Kontakte zu knüpfen sowie der Abenteuer- und Reiselust zu folgen“ (GL 22.4). Genau das haben wir mit unserer Fahrradtour nach Vallendar erlebt!
Wir können nur Jeden und Jede einladen, einmal der Reiselust zu folgen – es muss ja nicht gleich Vallendar sein, auch wenn wir das sehr empfehlen können. In unserer Pfarrei stehen z.B. mit der Valentinus- (Kiedrich) und der Rheingauwallfahrt (Marienthal) einige Abenteuer bereit, um das gewohnte Leben zu unterbrechen und neue Kontakte zu knüpfen!
(Text: Theo Müller; Gestaltung: David Kalnischkies)